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    Hannover, den 28.12.2004

    Kleine Anfrage
    zur mündlichen Beantwortung

    Abgeordnete Ursula Helmhold (GRÜNE)

     

    Messingsberg  I. : Der Berg ruft nicht mehr, er kommt jetzt selbst

    Erstmals öffentlich wurde die Tatsache, dass der Messingsberg in Schaumburg als Folge des Abbaus nach Norden hin abrutscht durch Messungen des Katasteramtes. Auf dem Kamm des Messingsberg ist ein Messpunkt der landesweiten Festpunktfeldüberwachung (als Dreiecke in topografischen Karten verzeichnet) der LGN eingerichtet. Die „Schaumburger Zeitung“ meldete am 11.06.1997, dass bei topographischen Routinemessungen des Katasteramtes festgestellt wurde, dass sich der ganze Bergabschnitt Richtung Norden mit einem Tempo von 2,5 Zentimetern pro Monat bewegt. Auf einer Länge von 100 Metern wurde damals mit einer Notsprengung ein Widerlager hergestellt, um die Bewegung des Berges an dieser Stelle zu stoppen. Weitere Vorsorgesprengungen wurden im Jahr 1999 vorgenommen, um das Zusammenbrechen weiterer Teile der durch den Abbau entstandenen Steilwand zu verhindern. Der jüngste Bergrutsch zeigt allerdings, dass die getroffenen Maßnahmen nicht geeignet waren, ein weiteres Abrutschen des Berges zu verhindern. Es kann nur als glücklicher Zufall bezeichnet werden, dass der Zeitpunkt des Vorfalls nicht in die Arbeitszeit fiel und somit keine dort Beschäftigten betroffen waren.

    Die „Aktionsgemeinschaft Weserbergland“ hat am 15.12.04 Fotos vom Bergrutsch veröffentlicht, bei denen auf einer Zeichnung des ersten Aufmasses (Datum 12.12.04) der abgerutschten Gesteinsmassen das Wort „Abbauoptimierung“ erkennbar ist.

    Zu diesem Zeitpunkt - unmittelbar nach dem Bergrutsch - von Abbauoptimierung zu sprechen, erscheint zumindest kühn. Zuerst müssen die zuständigen Behörden klären, ob überhaupt noch ein weiterer Abbau am Messingsberg ohne Gefährdung des Personals im Steinbruch möglich ist. Es kann auch nicht Ziel des Abbaus sein, den Berg vollständig abzutragen und damit die Landschaft und wertvolle Naturbereiche grundlegend zu verändern.

    Ich frage die Landesregierung:

    1.      Welche Bewegungen des Messingsbergs sind aus den vorliegenden Daten des dort vorhandenen Messpunktes der LGN seit Einrichtung des Messpunktes nachweisbar?

    2.      Wie bewertet die Landesregierung den Einsturz der Steilwand in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember und in der Folge das Abrutschen des Bergkamms in Hinsicht auf die Anforderungen des Arbeitsschutzes für die im Steinbruch Beschäftigten, sowie Anwohner und Erholungssuchende?

    3.      Welche Konsequenzen wird die Landesregierung aus der Tatsache ziehen, dass die in der Vergangenheit durch die Steinbruchbetreiber in Auftrag gegebenen und vom NLfB bewerteten Gutachten zur Standfestigkeit des Messingsberg offensichtlich zu falschen Schlussfolgerungen der Abbaufähigkeit des Bergs geführt haben?

    Ursula Helmhold

 

Hier die Antwort im Namen der Landesregierung zur Frage 9 aus dem Wirtschaftsministerium im Wortlaut:                                                                                                          (erh. am 28.01.05)

    Messingberg I.: Der Berg ruft nicht mehr, er kommt jetzt selbst

    Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung der Abg.Ursula Helmhold (Grüne)

    Zum Unglück im Steinbruch Steinbergen kam es am Samstagabend, dem 11.Dezember 2004 gegen 22 .15Uhr MEZ, als ein keilförmiger Block aus dem Bergkamm des Messingsbergs im bisher nicht akut rutschungsgefährdet beurteilten östlichen Bereich des Südhangs auf einer Länge von nahezu 300 m und einer Tiefe von bis zu 50 m abrutschte und dabei Gesteinsblöcke bis zu 340 m weit in den Tagebau stürzten. Nach Schätzungen beträgt das Gewicht der abgerutschten Gesteinsmasse ca. 1 Mio. Tonnen.

    Es handelt sich um einen Böschungsrutsch in einem Steinbruch von bisher ungekanntem Ausmaß. Die Ursachen werden derzeit umfassend untersucht; das Betreiberunternehmen informiert die Öffentlichkeit jeweils zeitnah bei Vorliegen neuer Erkenntnisse.

    Zur Historie: Der Steinbruch ist eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundes -Immissionsschutzgesetzes (BImSchG); die nach damaligem Recht erforderliche Bodenabbaugenehmigung wurde am 02.12.1976 vom Landkreis erteilt. Nunmehr ist das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim zuständige Aufsichtsbehörde nach Immissions- und Arbeitsschutzrecht.

    Die Standsicherheit der Südwand des Steinbruchs wurde im Jahr 1999 in einem von dem Betreiberunternehmen in Auftrag gegebenen Gutachten eingehend untersucht. In disem Gutachten, das der Landkreis Schaumburg, das Katasteramt Rinteln, die Fürstliche Hofkammer Bückeburg (Forstamt), das NLfB und das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim zur Kenntnis erhielten, wurde die Abbauwand in 1. akut, 2. latent und 3. nicht rutschungsgefährdende Bereiche eingestuft. Zur Sicherung des als rutschungsgefährdet beurteilten Gebirgsbereichs wurde empfohlen, verschiedene Teilabsprengungen durchzuführen und das Schuttmaterial als Widerlager am Wandfuß zu belassen. Diese Maßnahme, die im fortschreitenden Abbaubetrieb auch erfolgen sollte, wurde in Verbindung mit einem speztifischen Mess- und Überwachungssystem als geeignet und ausreichend angesehen, um künftige Gesteinsrutschungen zu verhindern.

    Nach einer entsprechenden Änderung der Bodenabbaugenehmigung durch den Landkreis Schaumburg ordnete das GAA Hildesheim die Vorsprengungen sowie begleitende Messungen an und ließ diese Maßnahmen in den Jahren 2000 und 2001 in dem als “akut rutschungsgefährdet” eingestuften Bereich des westlichen Teils der Südwand durchführen. Ausweislich des maßgeblichen Erläuterungsberichts warem im Zuge des fortschreitenden Abbaus in östlicher Richtung drei weitere Vorsprengungen vorgesehen; die nächste Vorsprengung sollte im Jahr 2005 erfolgen. Als begleitende Maßnahmen und zu Kontrollzwecken wurden regelmäßige Bewegungsmessungen vorgeschlagen und auch durchgeführt.

    Die Ergebnisse dieser digitalen Distanzmessungen zeigten zunächst eine deutliche Verringerung der Bewegungsgeschwindigkeit. Da die Gleitbewegung jedoch noch nicht vollständig zum Stillstand gekommen war, wurden von dem Betreiberunternehmen weitere Vermessungen und Gutachten zur Geologie, zur strukturgeologischen Situation und zur Untersuchung der Standsicherheit der Südböschung sowie zur Gewährleistung eines sicheren weiteren Gesteinsabbau in Auftrag gegeben. Gem. einem Gutachten vom Januar 2003 konnten über bereits vorhandene Erkenntnisse hinaus keinerlei Hinweise auf weitere Gleitbewegungen am Messingberg festgestellt werden. In einem weiteren Gutachten vom August 2004 wurden zur Erhöhung der Standsicherheit und als Grundvoraussetzung für den sicheren Abbau (lediglich) die Unterbindung der Kluftwasserdrücke durch Drainagebohrungen zur Entwässerung der Klüfte und ein Monitoring zur Beobachtung der Bergwasserstände und der Verschiebung im Kammbereich empfohlen.

    Zur gegenwärtigen Situation: Der Bergrutsch hat sich nunmehr genau in dem Bereich ereignet, in dem die Vorsprengungen in diesem Jahr erfolgen sollten. Bereits wenige Tage nach Schadenseintritt wurde der international anerkannte Experte Prof. Dr. E. Krauter (geo-international, Vorsitzender der Forschungsstelle Rutschungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Sachverständiger für Geotechnik des Eisenbahn-Bundesamtes) mit der Begutachtung beauftragt.

    Der Gutachter stellt fest, dass das Gefährdungspotenzial durch Felsrutschungen, Kipp- und Sturzbewegungen im Bereich der Abbausüdwand in den vorrangegangenen Gutachten unterschätzt worden sei. Die dort empfohlenen Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen seien nicht ausreichend gewesen. Durch “Teilabsprengungen” sei vielmehr die seitliche Einspannung der unmittelbar anschließenden Abbauwände reduziert worden, was letztlich zum weiteren Stabilitätsverlust in diesen Felsbereichen geführt habe.

    In diesem Zusammenhang weist er ausdrücklich darauf hin, dass weder das Unternehmen noch die Aufsichtsbehörde das tatsächliche Gefährdungspotenzial hätten erkennen können, so dass auch keine Notwendigkeit zu besonderen bzw. zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen bestanden habe. Auch für etwaige Änderungen der Abbaumethode habe es keinen sichtbaren Anlass gegeben.

    Der Gutachter führt weiter aus, dass das U/nternehmen die Empfehlungen über erforderliche Sicherungsmaßnahmen, Absprengungen in Verbindung mit Vorschüttungen sowie einer episodischen Kontrolle von Bewegungen durch Messbrücken im Bereich von Spalten und durch Messpunkte ordnungsgemäß umgesetzt habe. Nach den Messergebnissen habe man im Beobachtungsbereich gegenwärtig nicht mit einer Felsrutschung rechnen müssen.

    Zutreffend ist die in der Kleinen Anfrage enthaltene Aussage, dass es nicht Ziel des Abbaus sein könne, den Berg vollständig abzutragen und damit die Landschaft und wertvolle Naturbereiche grundlegend zu verändern. Der Abbau von Rohstoffen ist vielmehr ein singuäres Interesse, das in Konkurrenz zu verschiedenen anderen, grundsätzlich gleichwertigen Interessen steht; zur Beurteilung der Angemessenheit einer geplanten Maßnahme bedarf es deshalb immer einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die Verträglichkeit des Rohstoffabbaus mit anderen Nutzungen hat für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Dies gilt insbesondere für den Aspekt der Umweltverträglichkeit. Einen Berg abzutragen ist niemals Ziel, sondern allenfalls notwendige Folge eines Abbaus. Ziel ist immer die Versorgung mit Rohstoffen, die als wesentliches Element der Daseinsvorsorge große volkswirtschaftliche Bedeutung hat und daher nicht ernsthaft zur Disposition stehen kann.

    Zutreffend ist weiter die Feststellung, dass auf einer Zeichnung des ersten Aufmasses das Wort “Abbauoptimierung” vermerkt ist. Dieses Wort steht allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Erdrutsch, sondern mit dem Bemühen des Unternehmens, die Abbaureihenfolge in den Blöcken sowie die Rekultivierungsreihenfolge zu überprüfen. Die zu diesem Zweck von einem Planungsbüro gefertigten Pläne wurden unmittelbar nach dem Erdrutsch verwendet, um nicht mit der Herstellung neuer Pläne unnötig Zeit zu verlieren.

    Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

      Zu 1 : Bei dem Messpunkt der Landvermessung und Geobasisinformationj Niedersachsen (LGN) handelt es sich um einen so genannten trigonometrischen Punkt. Dies ist ein Fixpunkt für die Landvermessung, der der Bestimmung des Raumbezuges dient. Ein solcher Punkt darf sich bewegen, damit die Veränderungen des Raums im Verhältnis zu diesem Punkt gemessen werden können. Als im Jahr 1995 festgestellt wurde, dass sich der trigonometrische Punkt auf dem Kamm des Messingsbergs bewegt hat, wurden von dort keine Daten mehr aufgenommen und ausgewertet. Es liegen somit nur Daten bis zum Jahr 1995 vor, die für die aktuelle Fragestellung nicht verwertbar sind. Darüber hinaus gehende Bewegungen des Punktes sind nicht feststellbar.

      Zu 2: Der Bergrutsch im Steinbruch Steinbergen ist ein Unglücksfall, der - schon im Hinblick auf die Sicherheit der Beschäftigten und Erholungssuchenden - nicht hätte vorkommen dürfen und der sich auch nicht wiederholen darf. Unternehmen, Landesregierung und Fachbehörden, aber auch der eingeschaltete Gutachter unternehmen daher alles Erforderliche, um schnellstmöglich die Schdenursache zu ermitteln und Vorkehrungen treffen zu können, damit sich ein solches Unglück nicht wiederholen kann. Es muss an dieser Stelle jedoch ausdrücklich betont werden, dass der Böschungsrutsch nach den vorliegenden Gutachten, Messungen und Prognosen nicht vorsehbar und damit auch nach den seinerzeitigen Erkenntnissen nicht vermeidbar war.

      Im Hinblick auf den zukünftigen Schutz sollen kurzfristig alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen ergriffen und von den zuständigen Behörden überwacht werden. Als konkrete Sicherungsmaßnahmen im Steinbruch Steinbergen sind beabsichtigt: Permanente Überwachung, Installation eines Frühwarnsystems, Maßnahmen zur Abstützung des bestehenden Südhangs (insbesonderer durch Vorschüttungen). Damit soll verhindert werden, dass der Kamm komplett abrutscht und das Landschaftsbild nachhaltig verändert wird.

      Als Sofortmaßnahme wird im Moment ein Kontroll- Frühwarnsystem für ein permanentes Monitoring installiert. Dieses System dient zum einen der Arbeitssicherheit im Steinbruchbetrieb, zum anderen der Sicherheit der Mannschaften, die die Sicherungsmaßnahmen durchführen. Gleichzeitig bietet es auch einen Schutz für Fußgänger auf dem Kammweg bei unerwarteter Spaltenöffnunen. Auch die Wirksamkeit der empfohlenen Absprengungen und Vorschüttungen kann damit überprüft werden.

      Eine Gefährdung von Beschäftigten, Anwohnern und Erholungssuchenden kann gegenwärtig ausgeschlossen werden, weil der Abbaubetrieb eingestellt, das Betreten des Gefahrenbereichs untersagt und der Kammbereich weiträumig durch Wildschutzzaun und Verbotsschilder abgesperrt und gesichert ist. Anwohner sind im Gefährdungsbereich nicht ansässig und für die Ortschaften im Süden des Messingbergs bestehen aufgrund der geologischen Gegebenheiten keine Gefahren.

      Zu 3. Das aktuelle 1. Teilgutachten des Gutachters Prof. Krauter bestätigt, dass die damals handelnden Personen aus den vorlieghenden früheren Gutachten die richtigen Schlussfolgerungen gezogen haben und ihnen keine schuldhaften Versäumnisse vorgeworfen werden können. Aus heutiger Sicht muss man hinsichtlich der Sicherheit des Abbaus jedoch zu anderen Ergebnissen kommen (s.o. zum Gutachten von Prof. Krauter). Das Risiko von fehlerhaften Einschätzungen in Gutachten ist nie ganz auszuschließen.

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