Schaumburger Zeitung 16. Mai 1998

 

Interview in der Schaumburger Zeitung zur Gründung der Bürgerinitiative Schaumburger Freunde

“Wir kennen von allem den Preis - und von nichts den Wert...”

Initiative für den Erhalt der Weserberge gegründet /Interview mit Elke Reineking

Landkreis (wm). Vor zwei Wochen wurde in Schaumburg eine Initiative ins Leben gerufen, die sich für den Erhalt des Weserberglandes einsetzt. Mittlerweile haben sich viele Unternhemen, Geschäfte und Vereine dieser Initiative angeschlossen, unter anderem auch der Verkehrs- und Heimatverein Schaumburg, der Verschönerungsverein und Pro Rinteln.

Unter dem Motto “Unsere Landschaft braucht Freunde” setzt sich die Initiative für den Erhalt und den Schutz unseres Wesergebirges ein, gegen eine weitere Zerstörung durch Gesteinsabbau. Redaktionsleiter Hans Weimann sprach mit Elke Reineking über die Ziele der Initiative.

Der Möncheberg, den vor ein paar Jahren die Schaumburger Steinbrüche abbauen wollten, ist - auch durch ihre Initiative - gerettet, warum sammeln Sie also erneut Unterschriften gegen den Gesteinsabbau?

Reineking: Aktueller Anlaß für mich ist, daß schon wieder ein Stück Berg abgebaut werden soll, diesmal die Westendorfer Egge bei Bernsen. Die Firma möchte dafür den Landschaftsschutz aufheben. Das ist Stand des Verfahrens. Dieses darf einfach nicht mehr geschehen, hier sind die von uns gewählten Politiker aufgefordert, sich für die Interessen einer ganzen Region einzusetzen und nicht für kurzfristiges Profitstreben einzelner Unternehmen in der Baustoffindustrie.

Die Firma betont, hier gehe es nur um die weitere Ausbeutung ihrer Lagerstätte, danach sei Schluß.

Reineking: Die Lagerstätte ist bereits ausgebeutet, hier handelt es sich um eine Erweiterung. Wenn Sie die Politik der großen Unternehmen verfolgen, ist das die übliche Salami-Taktik. Das Weserbergland, vor rund 200 Millionen Jahren entstanden, besteht aus Sandstein und Kalkstein-Oolith. Dieses Material macht es leider für die Wirtschaftsriesen in der Baustoffinsutrie so begehrenswert. Die Gefahr mit Abbauanträgen für unser Gestein überschüttet zu werden, wird immer bestehen bleiben. Gibt man diesen Einzelinteressen weiter nach, entwickelt sich unsere Region zu einem Industriepark. Wir stehen doch schon auf der Kippe. Diese Entwicklung muss gestoppt werden, wollen wir uns eine Chance auf eine wirtschaftliche und lebenswerte Zukunft erhalten. Einen weiteren Abbau dürfen wir nicht mehr zulassen.

Das Weserbergland ist im Landesraumordnungsprogramm von Niedersachsen aber als Abbaugebiet für Rohstoffe vorgesehen.

Reineking: Ist das nicht traurig und erschreckend? Das ist die Perspektive der Hannoverschen Landesregierung, die sich nicht für die Menschen einsetzt, sondern über unsere Köpfe hinweg unsere Zukunftschancen ausradiert. In der Ortsratssitzung von Deckbergen, Schaumburg und Westendorf wurde die Frage gestellt, warum sollten wir den Landschaftsschutz aufheben, was haben wir davon? Die Firma Luckwald, die für den Steinbruchbetreiber das aktuelle Vorhaben betreut, antwortete: Eine interessante Frage, die ich ihnen auch nicht beantworten kann. Dazu fällt mir Oskar Wildes Satz ein: Wir kennen von allem den Preis und von nichts den Wert. Pointierter kann man das Problem nicht mehr ausdrücken. Außerdem, wenn sie schon das Landesraumordnungsprogramm zitieren: Für das Gebiet in der Egge ist der Trinkwassergewinnung der Vorrang eingeräumt worden. Da sind auch unsere Politiker vor Ort aufgerufen, dieses zur Kenntnis zu nehmen.

Zweites Argument der Steinbruchnutzer sind die Arbeitsplätze, die durch die Steinbruchindustrie erhalten werden.

Reineking: Man muss eine ganz andere Rechnung aufmachen. Erst durch den Gesteinsabbau werden massiv Arbeitsplätze bedroht und zwar in der Touristik, im Dienstleistungsgewerbe und Handel. In Rinteln investiert man viel Zeit und Geld in Stadtmarketing  - ein weiterer Gesteinsabbau wäre da geradezu kontraproduktiv.

Warum, im Steinberger Steinbruch soll jetzt ein Expo-Projekt entstehen, als Touristenattraktion.

Reineking: Ja, eine Art Disneypark. Ich nehme an, sogar noch werbend für den weiteren Abbau. Dabei hatte Steinbruch-Geschäftsführer Josef Wärmer noch vor fünf Jahren für Natur aus zweiter Hand, eine paradiesische Ökonische im Steinbruch geschwärmt, wohin sich bedrohte Arten der Fauna und Flora zurückziehen könnten.

Wäre das denn die bessere Lösung gewesen?

Reineking: Ja! Aber, die beste Lösung ist, k e i n Abbau mehr. Unser Kapital ist eine gepflegte, ökologisch gesunde, gewachsene und geschichtsträchtige Kulturlandschaft als Basis für Tourismus, Dienstleistung und den Handel. Die Touristen, die zu uns kommen, wollen das Weserbergland erleben. Die Betonung liegt hier auf Bergland, nicht auf Naturzerstörung und eine Ansammlung von Löchern. Eine gewachsene Region in noch reizvoller Landschaft im Herzen Deutschlandas und dieses im Zentrum europäischer Wirtschaftsachsen . Der Landkreis Schaumburg wirbt wörtlich mit diesem Satz in seinen Informationsbroschüren. Übrigens sogar bei Wirtschaftsunternehmen, die er einlädt, sich in einer noch unverbrauchten Landschaft niederzulassen und zu investieren. Schutz unserer Landschaft und Wirtschaftsförderung sind also keineswegs ein Widerspruch.

Sie haben inzwischen eine große Resonanz und Unterstützung auch von vielen Geschäftsleuten gefunden. Worauf führen Sie dieses neue Engagement zurück?

Reineking: Das ist ja auch kein Wunder. Die Wunden, die der Gesteinsabbau in unsere Landschaft gerissen hat, sind mittlerweile an 13 Stellen im ganzen Landkreis zu besichtigen. Unser Soll ist übererfüllt. Das Verhältnis kippt hin zu einem riesigen Abbauindustriegebiet. Also sollten wir alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren. Wer von unseren gewählten Politikern in den Kommunalparlamenten auf Orts-, Stadt-  wie Kreisebene, egal welcher Coleur, einem weiteren Abbau den Weg bereitet, ist meiner Meinung nach am falschen Platz.

Denn nur derjenige handelt politisch vorausschauend und sozial verantwortungsvoll, der sich für den Schutz unserer Landschaft einsetzt. Wer erkannt hat, welchen Wert unser “Schatz” das Weserbergland im Landkreis Schaumburg, hat, wird bei einem Abwägen, ob man weiteren Abbau noch zulassen darf, feststellen, daß die Entscheidung nur noch zugunsten der Landschaft getroffen werden kann.

Darauf müssen wir unsere Entscheidungsträger in der Politik durch Unterschriftensammeln, Plakate und Ansprechen immer wieder aufmerksam machen, damit sie ihren Auftrag wahrnehmen, sich zum Wohle der Menschen einzusetzen. Offensichtlich ist dieses nötig, schließlich versprechen sie uns das immer wieder. Wo sind sie also, wenn es darum geht, hier Farbe zu bekennen?Schaumburger Zeitung, 16.05.1998

 

Schaumburger Zeitung, Schaumburg-Lippische Landeszeitung, Generalanzeiger  17.07.1998

 

Zu den Planungen Expo Projekt : Steinzeichen Steinbergen

 

 

 

 

    Jahrtausendblick ein Plagiat?:Wir meinen Ja! Buch über die Himmelstreppe: Voth-Zeichen der Erinnerung Verlag für moderne Kunst Zirmdorf, Deutsches Architekturmuseum 1986.ISBN 3 - 922531 -42 - 3.    Ein Exemplar ist im Besitz der Schaumburger Freunde und kann gerne eingesehen werden. Pfeil rot-0,5 cm breit Aktion im Januar 1998: Siegfried Graf Adelmann von der Schaumburger Landschaft wurde von uns mit diesen Unterlagen bereits Anfang 1998 auf diese Ähnlichkeit hingewiesen!

    Die Beduinen in Marokko haben schon ihren „Jahrtausendblick“

    Steinbergen/Maroko (wm). Am Mittwoch, kurz vor Mitternacht, zeigte Südwest 3 aus Baden -Baden im Fernsehen eine Reportage über die „Himmeltreppe“ des Münchner Künstlers Hannsjörg Voth. Eine „Himmelstreppe“, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem „Jahrtausendblick“ hat, der in Steinbergen im Rahmen des Expo-Projektes „Steinzeichen“ von dem Düsseldorfer Architekten Professor Günter Zamp Kelp gebaut werden soll.

    Ein Südwestfunk-Team (Kamera Thomas Varhely und Jürgen Ekkerle) mit Autorin Hannelore Kelling dokumentierte, wie Voth mit Hilfe von 30 marokkanischen Arbeitern am Rande der Sahara im April 1987 seine „Himmelstreppe“ baute. Voth, Jahrgang 1940, in Bad Harzburg geboren, wurde international bekannt durch seine Aktion „Reise ins Meer“, bei der er eine Kunstfigur auf einem Floß vom Rhein bis aufs offene Meer schleppen ließ und durch sein „Boot aus Stein“ auf dem Ijsselmeer in den Niederlanden. Der erste ist vergänglich, der zweite aus Stein Das Konzept seiner Himmelstreppe: ein Lehmbauwerk in Form eines Dreiecks, 23 Meter lang, 16 Meter hoch. Eine Treppe mit 52 Stufen führt zu einer Aussichtsplattform. Die Himmelstreppe ist zugleich Hülle für ein tonnenschweres Flügelprojekt, das im Innern montiert worden ist. Zwischen eisernen Schwingen kann ein Mensch dort mit dem Blick nach Osten den Traum des Ikarus träumen. Die Himmelstreppe gleicht nicht nur verblüffend dem projektierten „Jahrtausendblick“, auch bei der Interpretation gibt es Assoziationsketten: „Bindeglied zwischen Himmel und Erde, Stufen ins Grenzenlose, ins Transzendente...“. Man darf davon ausgehen, daß sich beide Künstler kennen: Zamp Kelp wie Voth waren auf der „documenta 6„ in Kassel dabei. Zamp Kelp wohnt in Düsseldorf, wo Voth in verschiedenen Galerien fast jedes Jahr ausgestellt. Einen wesentlichen Unterschied wird es allerdings geben. Der „Jahrtausendblick“ wird vermutlich noch auf dem Weserkamm stehen, wenn die Himmelstreppe längst wieder Wüste geworden ist. Und das hat Voth so gewollt. Jeder Sandsturm, jeder Regenguß den Lehmbau ein Stück demontieren. Übrigbleiben werden nur Fotos, Zeichnungen und der Film. Der ist übrigens im Februar dieses Jahres in Monte Carlo mit dem Großen Preis für künstlerisch gestaltete Dokumentarfilme der Internationalen Rundfunk- und Fernseh-Universität Paris ausgezeichnet worden. (Gestern war der Film von 23.05 bis 0.05 Uhr auf SW III zu sehen.) Schaumburger Zeitung, 17.07.1998

           Interview mit Zamp Kelp

    Von Treppen schon immer fasziniert

    Hans Weimann sprach mit Prof. Zamp Kelp

    Herr Professor, kennen Sie die Himmelstreppe in Marokko, die der Münchner Künstler Hansjörg Voth im vorigen Jahr gebaut hat? Sie sieht dem von Ihnen konzipierten Jahrtausendblick verblüffend ähnlich.

    Zamp Kelp (lacht): Sicher kenne ich diese Treppe. Mich hat die Idee einer Treppe schon immer fasziniert, seit Jahrzehnten. Die erste habe ich 1971 für die Dokumanta 5 entwickelt.

    Sie waren auch auf der Dokumenta 6 vertreten, wie Herr Voth. Kennen Sie ihn auch persönlich?

    Zamp Kelp: Das wäre übertrieben. Ich habe ihm mal in München die Hand geschüttelt.

    Stört es Sie, daß es in Marokko ein ähnliches Bauwerk gibt, wenn auch ein vergängliches, weil nicht aus Stein, sondern aus Lehm gebaut, der zerfällt?

    Zamp Kelp: Warum sollte es? Es gibt ja auch verschiedene Automodelle. Sehen Sie, der Jahrtausenblick ist eine Chance für die ganz Region, er paßt zu dem erklärten Ziel des Landkreises, den Tourismus auszubauen. Ich bin überzeugt, der Jahrtausendblick wird viele Menschen anziehen. Es gibt viele Befürworter, aber ich hätte mir etwas mehr Begeisterung gewünscht. Viele sind doch sehr zögerlich.

         SZ Seite 1  Rinteln

    Doppelgänger in Marokko

    Rinteln. Am Mittwoch kurz vor Mitternacht auf Südwest 3 zu sehen: Die Himmelstreppe von Hansjörg Voth in Marokko. Ein Kunstwerk, das dem geplanten Jahrtausendblick auf dem Expo-Gelände des Steinbruchs Steinbergen zum Verwechseln ähnlich sieht. Offensichtlich hatten hier zwei Künstler dieselbe Inspiration.

 

    Jahrtausendblick: Erlebnis einer Bergbesteigung

    Gestern Tag der offenen Tür im Steinbruch Steinbergen

    Steinbergen (wm). Wer gestern morgen beim “Tag der offenen Tür” im Schaumburger Steinbruch den Vortrag von Zamp Kelp lauschen wollte, bekam eine Meinung vom physischen Erlebnis des geplanten “Jahrtausendblicks”. Es ging bis zur Hütte stramm bergan. Wer im Jahr 2000 auf den Jahrtausendblick will, muß mehr Kondition mitbringen: 180 Stufen führen bis auf die 120 Quadratmeter große Plattform, 30 Meter hoch über den Klippen.

    Oben angekommen, kann sich der Besucher des Expo-Projektes über das Panorama der Weserlandschaft freuen - unter ihm fällt 50 Meter eine Steilwand ab. Der Professor verspricht, das “wird ein Gipfel-Erlebnis wie bei einer Bergbesteigung”. (Fußkranke Besucher können sich auch mit einem Lift auf die Plattform hieven lassen - wenn der Fahrtreppenhersteller “Otis” in Stadthagen mitmacht, sogar rundherum verglast.)

    Wie das Monument aus Stein, Stahl und Glas in der Landschaft wirkt, konnten sich gestern die Besucher in der Bauhütte anschauen: Auf Leinwand per Computeranimation. Auf der Plattform werden zehn Glasrahmen montiert, die daran erinnern sollen, daß “wir heute Realität vor allem in Bildern wahrnehmen - mediengerecht aufbereitet”. Auf dem Weg zum Wahrzeichen über den Weserbergen wandert der Expo-Besucher durch einen Steinpark mit Freilufttheater, Pavillons, Krater und Steintore. Geplant sind unter anderem der Bau von Wegen, die schon Mythos sind, wie die Via Appia bei Rom oder die legendäre Route 66 in den USA, ein Steinkreis (überdacht) mit Steinen zum Fühlen und Hören, dazu erlebte Kulturgeschichte vom Faustkeil bis zur modernen Architektur.

    Was von dem geplanten Stein-Kulturpark letzlich realisiert wird, erläuterte Zamp Kelp, sei eine Frage der Mittel. Bis zur Expo 2000 sollen auf alle Fälle die Infrastruktur, die ersten Pavillons und das Treppenbauwerk fertig sein. Die Ausgestaltung der Anlage zu einem Freizeitpark geht weit über das Jahr 2000 hinaus. Schaumburger Zeitung, 17.07.1998

           Glosse

    Fata Morgana

    Von Hans Weimann

    Gestern, kurz vor Mitternacht. Ich zappe lustlos durch die Kanäle und habe plötzlich das Steinberger Steinzeichen, den “Jahrtausendblick” auf dem Bildschirm. Donnerwetter, denke ich, clevere Jungs, jetzt machen sie schon im Fernsehen Reklame. Am Sonntag ist ja im Steinbruch Steinbergen “Tag der offenen Tür”. Sogar 2 Kamele schaukeln durchs Bild. Max und Moritz vom Kamelfest in Bad Eilsen? Reklameträger für das Steinzeichen? Darumherum werkeln Beduinen. Verblüffend echt sehen die aus! Moment mal, da stimmt doch etwas nicht: Was da steht ist keine Attrppe, kein Modell, sondern ein massiver Bau und schon fast fertig! Und wie Professor  Günter Zamp Kelp sieht der Künstler auch nicht gerade aus. Ein Blick in die Programmzeitschrift gibt Aufklärung: Südwest III präsentiert nicht den “Jahrtausendblick”, sondern “Die Himmelstreppe von Hansjörg Voth in Marokko” . Zufall, daß da zwei Künstler dieselbe Idee hatten? Oder erschien dem Professor die Himmelstreppe als Fata Morgana aus der Wüste?

 

Schaumburger Zeitung       Thema der Woche        Dienstag, den 16. Mai 2000

 

 

 

 

 

    Zündene Idee? Im Steinbruch wird vor Weltpuplikum gesprengt

    SSS in Zeitnot: Entlastungs-Explosion auf Expo-Monate verschoben

    Von Frank Werner

    Steinbergen/Landkreis. Die Schaumburger Steinbrüche (SSS) stecken in der Zeickmühle. Bis zur Expo muss der Freizeitpark Gestalt annehmen. Und vor Beginn der Weltausstellung sollen auch die vom Gewerbeaufsichtsamt angeordneten Sprengungen an der Steilwand gezündet werden. Nicht zu schaffen in der knappen Zeit. Die SSS haben sich deshalb zum Bruch eines selbstauferlegten Tabus entschlossen: Die Sprengladungen sollen während des Expo Rummels detonieren.

    Nicht ganz sicher ist sich die SSS-Geschäftsführung, wie der Plan in der Öffentlichkeit aufgenommen wird. Der Freizeitpark, eher als Stätte stiller, kontemplativer Faszination angelegt, soll nicht zum Spektakulum geraten. Erhofft wird aber wohl, dass die Sprengungen zusätzliche Besucher auf das Gelände locken. Keine Werbung wolle man jedoch machen, die Sprengungen nicht als PR-Gag ausschlachten, stellt SSS-Geschäftsführer Josef Wärmer klar. Wärmer will die Sicherungsmaßnahmen eher zum Anlaß nehmen, über die Ursachen des Bergrutschens zu diskutieren. Per Faltblatt und Megaphon sollen Zuschauer über die Hintergründe informiert werden. Der Steinbruch wird damit Teil des Expo-Projektes, die Besucher zwangsläufig mit den negativen Folgen des Gesteisnabbaus konfrontiert.

    Die Idee, die Sprengungen auf die Expo-Monate zu verschieben, sei aus purer Zeitnot geboren worden , begründet Steinbruch-Betriebsleiter Helmu Kollmeyer den Meinungsumschwung in der vorigen Woche. Vater des Gedankens sei der ehemalige Oberkreisdirektor Dr. Klaus Henning Lemme, der als Mitglied im Kuratorium der Erlebniswelt GmbH den Vorschlag unterbreitet habe.

    Weil durch den Beitritt von Gesellschaftern mehr Kapital als erwartet in die Kasse geflossen sei, könne im Freizeitpark bis zum 1. Juni auch mehr realisiert werden als geplant, erklärt Kollmeyer. Die Erdarbeiten habe man beispielsweise schon abschließen können. “Hier brennt die Luft”, beschreibt der Betriebsleiter die angespannte Situation. Würde jetzt die erste Sprengung vorbereitet, müsste ein Teil der Arbeit am Parkgelände liegen bleiben.

    Sicherheitsbedenken für die Expo-Gäste bestünden nicht, sagt Kollmeyer. Die Zuschauer seien auf der Terrassen-Plattform weit genug entfernt. Nur den Jahrtausendblick möchte der Betriebsleiter während der Sprengungen nicht als Beobachtungsposten freigeben.

    Zum Thema:

    Erster Knall im Juni

    Drei Sprengungen im Sommer 2000

    Nach dem neuen Zeitplan wollen die Schaumburger Steinbrüche die erste von fünf verordneten Sprengungen am 17. oder 24. Juni absolvieren. Im Juli und August folgen zwei weitere Entlastungs-Explosionen. Die letzten beiden Termine hängen vom Abbaufortschritt ab, werden wahrscheinlich aber erst für das nächste Jahr angesetzt.

    Gesprengt wird von West nach Ost. Zuerst kommen die “akut rutschgefährdeten” Abschnitte Eins und Zwei (siehe Grafik) an die Reihe. Sie werden im Gutachten als “kurzfristige Maßnahme” bewertet. Um den nächsten Abschnitt zu sprengen, muss auf dem Kamm eine Schneise durch den Wald geschllagen werden. Die übrigen Bereiche, die “latent” oder erst “nach dem Abbau rutschgefährdet” sind, werden als “mittelfristige Maßnahme” eingestuft. Bereich Drei soll ebenfalls noch in diesem Jahr gesprengt werden.

    Diese fünf Abschnitte der Steilwand des Steinbruchs sollen gesprengt werden, die ersten drei 
im Juni, Juli und August  - gesehen von Norden aus Buchholz.                                    Montage:vz

 

 

 

    Bremsklötze für den bewegten Berg

    Warum der Messingsberg rutscht und wie die Steine mit Sprengungen gestoppt werden

    Steinbergen (wer). Gesteinsabbau kann Berge versetzen. So langsam, wie es geologischen Prozessen eigen ist. Unaufhaltsam aber, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden.

    Rückblende: Anfang 1996 beschleunigt sich die Bewegung des Messingsberges plötzlich. 170 000 Kubikmeter Fels rutschen unaufhaltsam in Richtung Steinbruchgrube. Im Juli 1997 erreicht die Geschwindigkeit einen Höhepunkt: Der Berg gleitet jetzt um 2,4 Zentimeter pro Monat talwärts, Tendenz steigend. Seit Mitte der 80er Jahre hat er sich um gut einen Meter nach Norden vorgearbeitet -  auch für Geologen ein rasantes Tempo. Bei den Behörden klingeln die Alarmglocken: Eine Notsprengung wird angeordnet, um die Steine zu stoppen.

    Drei Jahre danach ist die Situation entschärft:  Das vorgesprengte Gestein funktioniert als Bremsklotz, der Berg hat sich beruhigt. Dennoch hat das Gewerbeaufsichtsamt fünf weitere Sprengungen angeordnet. Auslöser ist das geologische Gutachten von Prof. Dr. Lutz Krapp und Dr. Köhler & Dr. Pommerening, in dem die komplette freigelegte Nordwand als instabil eingeschätzt und eine “sukzessive Ausdehnung der Gleitbewegung nach Osten” nicht ausgeschlossen wird. Früher oder später, so die Prognose, wird sich das Szenario von 1997 auf 200 Metern Länge und mit 220 000 Kubikmetern Gestein wiederholen.

    Warum der Messingsberg aus dem Gleichgewicht gerät. haben die Gutachter erklärt: Auslöser ist der Gesteinsabbau, der eine freistehende Wand ohne natürliches Widerlager entstehen ließ. An den Flanken des Steinbruchs, wo terrassenförmig abgebaut wurde, stützt sich der Berg dagegen selbst. Laut Gutachten gerät der “jahrtausendblick” deshalb nicht zur Rutschpartie.

    In Bewegung bringt die Nordwand ein Gefälle von 16,5 Grad. Kritisch wird die Hanglage erst, weil der Abbau auch eine Tonschicht unter dem Kalkstein (Korallenoolith) freigelegt hat, die jetzt als Gleitmittel fungiert. Der ursprünglich feste Tonstein verwandelt sich unter Druck der Felsmassen und durch Wasser, das durch ein Netz von Schluchten in die Tiefe dringt, in eine weiche Schmierschicht. Physikalischer Effekt: Die haltenden Kräfte werden geringer, der Berg gleitet schneller. Dort, wo große Klüfte den Berg zerfurchen, lösen sich die Felsmassen ab.

    An der Abbruchwand haben die Gutachter einen “auffälligen Versatz” entlang der Tonschicht entdeckt. Auf 150 Metern Länge östlich der Sprengstelle von 1997 hat sich der Kalkstein um 30 bis 40 Zentimeter nach Norden vorgearbeitet. Der Bereich gilt als “akut rutschgefährdet”. Durch das Vorsprengen von Felsmassen wird die 45 Meter hohe Wand gleichzeitig entlastet und gestützt. Auf je 50 Metern Länge werden an fünf Stellen zehn Meter des Kammes abgesprengt (siehe Grafik). Der Geröllhaufen vor der Wand dient als Widerlager und unterbricht die Gleitschicht.

    Alternativen wie etwa den Einbau von Felsankern aus Beton haben Gutachter und Gewerbeaufsicht verworfen. Im Osten der Wand, wo Rutschgefahr erst durch weiteren Abbau entsteht, setzen die Behörden ebenfalls auf nachträglichs Sprengen: Der Abbau darf weiter gehen, wenn auch mit etwas größerem Abstand zum Kamm. Verworfen wurde auch die Variante, den Kamm komplett abzubauen. Diese Maßnahme stehe als “Sicherheitslösung” im “Bedarfsfall” zur Verfügung, heißt es im Gutachten . Für den Fall, dass die Sprengungen doch nicht für dauerhafte Stabilität sorgen.

 

 

 

 

    “Standsicherheit wohl für Jahrhunderte”

    Geologe Prof. Dr. Krapp zu Sprengungen

    Nach fünf weiteren Sprengungen -  ist die Rutschgefahr am Messingsberg auf Dauer gebannt?

    Krapp: Durch die Sprengung von 1997 wurde der sich damals bewegende Felsbereich stabilisiert. Die jetzt geplanten Sprengungen sollen vor Beginn eventuell möglicher Rutschbewegungen ausgeführt werden und haben somit noch wesentlich bessere Vorrausetzungen für eine dauerhafte Sicherung. Je früher diese Maßnahme erfolgt, desto besser. Noch besitzt die potenzielle Gleitfläche an der Basis der Steinbruchwand ihre ursprüngliche Gesteinsfestigkeit und damit einen hohen Reibungswiderstand. Zurzeit besteht keine akute Rutschgefahr.

    Das von Ihnen mitverfasste Gutachten spricht von “mehreren Jahrzehnten”, in denen Ruhe an der Front herrscht. In geologischen Maßstäben ein Klacks.

    Krapp: Ingenieure und Ingenieur-Geologen sind es gewohnt, bei der Sicherheit von technischen Projekten in Zeitspannen von 50 bis 100 Jahren zurechnen. Spätere Kontrollen und eventuelle Nachbesserungen sind in der Regel vorzusehen. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Standsicherheit der Böschung nach den Vorsprengungen über Jahrhunderte erhalten bleibt.

    Ist Sprengen im Vergleich zu anderen “Bremsmaßnahmen” die sicherste oder nur die günstigste Variante?

    Krapp: Andere “Bremsmaßnahmen”, zum Beispiel rückverankerte Stützmauern, sind unverhältnismäßig teuer und müssen ständig kontrolliert und gewartet werden. Es entstehen neben den hohen Maßnahmekosten entsprechende Wartungskosten. Die Sicherheit anderer Maßnahmen ist nicht höher zu bewerten als die von Vorsprengungen.

    Gefährden neue Detonationen nicht die alte Sprengstelle?

    Krapp: Die neuen Sprenbereiche sind mehr als 100 Meter von der alten Sprengstelle entfernt. Eine Wiederbelebung des gesicherten Bereiches wird ausgeschlossen.

    Was passiert, wenn nicht gesprengt wird?

    Krapp: Die potenzielle Gleitfläche würde mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre derzeitige Festigkeit, das heißt ihren Reibungswiderstand, teilweise verlieren und es könnte im Laufe von einigen Jahrzehnten in Teilbereichen zu einer ähnlich instabilen Situation wie 1997 kommen.

    Ist der Messingsberg die Ausnahme oder das Bergrutschen häufig die Folge von Gesteinsabbau?

    Krapp: Überall, wo die Natur oder der Mensch Berghänge anschneidet, können sich unter ungünstigen Bedingungen wie zum Beispiel beim Antreffen von Störungen, glatten Schichtflächen oder Poren- und Kluftwasserdrücken, kritische Rutschmassen bilden. Sowohl in Steinbrüchen als auch bei Großbaumaßnahmen wie Talsperren kommt es häufig zu Rutschungen. Bei rechtzeitiger Erkennung kritischer Hänge werden angemessene Gegenmaßnahmen getroffen, in Steinbrüchen praktisch ausnahmslos in Form von Vorsprengungen oder Gesamtabtrag.

    Angenommen, das vorgesprengte Gestein hält den Fels eines Tages nicht mehr auf, weil es erodiert oder die Gleitfläche rutschiger wird  - was dann?

    Krapp: Nach den Sprengungen wird es nach menschlichem Ermessen für sehr lange Zeit zu keiner kritischen Bewegung kommen. In keinem Fall ist dann ein plötzliches Abrutschen des Messingsberg-Kammes zu befürchten, höchstens ein allmähliches Gleiten von Teilbereichen. Die Größe und Morphologie der Steinbruchgrube vor der Abbauwand ist so günstig, dass alles eventuell rutschende Felsmaterial im Grubenbereich liegen bleibt und keinerlei Gefährdung für die Autobahn oder für Anwohner gegeben ist.

    Die Seite über den Messingberg im Wesergebirge