“Im Zuge
der weiteren Ausbeutung des Tagebaus der Barbara-Erzbergbau AG ist es unvermeidbar, den auf dem Kamm des Wesergebirges beiderseits der Wülpker Egge verlaufenden Wanderweg vorübergehend für die öffentliche Benutzung zu sperren. Diese Beschränkung wird voraussichtlich für die nächsten sechs Jahre erforderlich sein, weil bis dahin mit der Beendigung des Tagebaues zu rechnen ist.”
So ist es nachzulesen in einem Begehungsprotokoll vom 6.April 1964
unterzeichnet vom damaligen Verwaltungschef des Amtes Hausberge Heinz Borschel. Zuvor war man vom Kreuzplatz in Lohfeld aus über die Höhen der Wülpker Egge und den Kleinenbremener Heineberg bis zur Gaststätte “Wandersruh” gewandert, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.
Heute hätten die Teilnehmer dieser Wanderung keine Chance, das traditionsreiche Ausflugslokal zu erreichen, wo damals die
abschließende Besprechung stattfand. Der Kleinenbremer Heineberg ist inzwischen von den Barbara-Rohstoffbetrieben als Steinbruch genutzt und weitgehend abgebaut worden. Im Bereich der Wülpker
Egge ist es sogar als Folge der langjährigen, steilwandigen Abbauarbeiten zu einem Bergrutsch im östlichen Teil gekommen, der auch den bisher noch begehbaren Weg endgültig zerstört hat.
Die unendliche Geschichte der Veränderung eines ökologisch wertvollen Nazurlandschaftsbereichs im Wesergebirge begann mit einem
ersten Waldrodungsantrag der Betriebsverwaltung der Eisenerzgrube Wohlverwahrt Nammen im Jahre 1955. Wie die Protokolle der damaligen Zeit belegen, war dieser Antrag auch damals schon
heftig umstritten.
Aber immerhin finden sich dort wenigstens festgeschriebene Hinweise auf die Landschaftschutzverordnung und das Waldschutzgesetz.
Eine Aktennotiz vom Februar 1957 vermerkt, dass “...die Kammlinie des Wesergebirges zu erhalten ... und einer Verunstaltung der Landschaft entgegenzutreten ...” ist.
Mit den ersten Waldrodungen wurde 1958 begonnen. Die damaligen Besitzer hatten ihre Waldparzellen an die Barbara Erzbergbau
Gesellschaft verkauft. In den ersten 25 Jahren wurde neben Material für den Straßenbau vorwiegend eisenerzhaltiges Gestein abgebaut und zur Verhüttung nach Osnabrück oder Bremen transportiert. Im
westlichen Bereich nach Nammen zu entstand eine bis zu 60 Meter tiefe Abbaugrube, die später dann mit Müll verfüllt und rekultiviert wird.
Im eigentlichen Bereich der Wülpker Egge baute man ebenfalls Verhüttungsgestein ab. Zunächst im westlichen Bereich und dann nach
Osten fortschreitend. Dabei wurde der Kleinenbremer Heineberg um 30 Meter abgetragen.
Dann ruhten die Abbauarbeiten einige Zeit. Das zur Verhüttung verwertbare Gestein war weitgehend abgebaut und so genanntes
“beigebrochenes Gestein” fiel in größeren Mengen nicht mehr an. Man begann, Teile der abgebauten Flächen - den Auflagen der Forstbehörde entsprechend - durch das Anlegen von Schonungen zu
rekultivieren. Im Gebietsentwicklungsplan von 1987
werden die Wälder um die Wülpker Egge und den Kleinenbremer Heineberg als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Ein Teil des stillgelegten Steinbruchs diente den Heeresfliegern in Achum zeitweilig als Hubschrauberlandeplatz.
Gegen Ende der 80er-Jahre wurden dann überraschend die Abbauarbeiten von den Barbara.Rohstoffbetrieben verstärkt wieder
aufgenommen, insbesondere auch im Bereich Heineberg. Dabei werden Bäume in einem bereits wieder aufgeforsteten Waldgebiet gerodet und der Steinbruch erneut ausgeweitet.
Nach einer Fehlsprengung
stürzt ein Teil des wieder hergerichteten Höhenwanderwegs ein. Wieder einmal mehr hatte man Fakten geschaffen.
Damals wie heute sorgten sich Bürger und Bürgerinnen in Nammen, Wülpke und Kleinenbremen um Natur und Umwelt in ihrem
unmittelbaren Wohnumfeld. Der Widerstand der Anwohner gegen die schleichende, scheibchenweise Ausweitung der Abbauarbeiten wuchs.Dies wurde im Januar 1990 auf einer Bürgerversammlung in
Kleinenbremen deutlich, als sich spontan die Bürgerinitiative Wesergebirge (BIWE) gründete und in einem “offenen Brief” den damaligen Oberkreisdirektor Dr. Rolf Momburg aufforderte, die
fortschreitende Zerstörung der Wülpker Egge zu verhindern.
Auf Anfrage der BIWE teilt das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie NRW im August 1990 mit, dass nach dem
geltenden Hauptbetriebsplan für den Betriebsteil Heineberg ...”der Abtrag des Abraums und der Abbau zunächst nur eingeschränkt” erfolgen dürfe. “Diese Zulassung ist im Übrigen mit der Auflage
verbunden, dass der am Südrand verlaufende Wanderweg nicht gefährdet werden darf.”
Einmal öffentlich gemacht, diskutierten Politiker aller Fraktionen im Rat der Stadt als auch des Landtages in Düsseldorf die
Pläne der Barbara-Rohstoffbetriebe. Die örtliche Presse berichtet ausführlich, aber auch überegionale Medien greifen das Thema auf. Das Forstamt Minden untersagte,...”Wald im Bereich Wülpker-Egge
Ost und Heineberg ungenehmigt zu roden und so den Tagebau auszuweiten”. Diese Anordnung wird im Februar 1991vom Verwaltungsgericht Minden bestätigt. Das Umweltamt der Stadt Porta
erlässt wegen nicht genehmigter Waldrodungen einen Bußgeldbescheid.
Nach den gerichtlichen Auseinandersetzungen der Barbara-Rohstoffbetriebe mit verschiedenen Behörden und der Stadt Porta wurde
dann 1992 unter Beteiligung der Umweltausschüsse von Stadt, Kreis und dem Landschaftsbeirat Minden-Lübbecke ein Plan zur Wiedernutzbarmachung des Tagebaus Wülpker-Egge
(Rekultivierungsplan) aufgestellt und 1994 in einigen Punkten geändert, die sich insbesondere auf den Abbau am Heineberg bezogen.
Dieser Plan sah und sieht bis heute ausdrücklich vor, dass die Höhenlinie zu erhalten sei, der Kammweg wieder hergestellt werden
müsse und die Abbaumengen nicht erhöht werden dürften. Dabei wurde besonderer Wert auf das künftige Landschaftsbild gelegt. Das sollte durch Verdecken der Abbruchwände mit Baumanpflanzungen auf
den anzulegenden Bermen und das Herrichten von Kleinbiotopen und ökologischen Nischen geschehen. Ein Teil dieser vorgegebenen Rekultivierungsarbeiten ist in den vergangenen 10 Jahren auf der
inzwischen 18,5 ha großen Abbaufläche auch tatsächlich umgesetzt worden. Dazu gehört auch das Einbringen von unbelasteten Bodenmassen.
Im Spätherbst des Jahres 2000 wurden dann erstmals größere Erdspalten im Bereich des Kammweges und Risse an der südlichen
Abbaukante des Heineberges beobachtet. Aus Sicherheitsgründen musste der Kammweg erneut gesperrt werden. In der Folgezeit erweiterten sich die anfangs zentimeterbreiten Risse auf bis zu 5 Meter
breite Schluchten. Grosse Gesteinsblöcke gerieten auf einer Länge von zunächst 150 Metern ins Rutschen und drohten in den Steinbruch zu stürzen. Der ohnehin auslaufende Gesteinsabbau im
betroffenen Bereich musste eingestellt werden.
Auch wenn derzeit ein vom Bergamt beauftragter Geologe nach den Ursachen dieses in Deutschland wohl einmaligen Kammeinsturzes
sucht ( Anm. AGW: Nicht mehr einmalig siehe Messingsberg), wird von kompetenten Fachleuten nicht bestritten, dass man auf der Wülker Egge mit dem Abbau zu nah an die Kammlinie
herangegangen ist. Nicht die naturgegebene Ornaten-Tonschicht und natürliche Klüfte und Spalten im Gebirge sind die Ursache für den Kammeinsturz, sondern die Auflockerung und Herausnahme der
Druckspannung aus der Kammzone als Folge eines zu nahem Abbaus an der Kammlinie.
Weder die Firma Barbara noch das Bergamt als Aufsichtsbehörde haben in der Vergangenheit die Erfordernisse der Natur für eine
nachhaltige Wiedernutzbarmachung des Tagebaus an der Wülpker Egge erkannt und umgesetzt.
Zur Gefahrenabwehr und als vorläufiges Sanierungskonzept soll nun im Rahmen eines neuen Sonderbetriebsplans der Kamm des
Wesergebirges an dieser Stelle auf einer bisher nicht genau festgelegten Länge und Tiefe abgebaut werden. Dazu wurden bereits 1.05 ha Buchenwald im Bereich der Rutschung abgeholzt und gerodet.
Der bisher geltende Abbau- und Rekultivierungsplan vom September 1994 wird damit praktisch aufgehoben.
Unstrittig ist auch für die derzeit arbeitende Gruppe “Wülpker Egge” der Bürgerinitiative Wesergebirge, dass die unmittelbare
Gefahrenstelle der Rutschungen am Heineberg für Anlieger und Wandere auf dem Höhenweg kenntlich gemacht und gesichert werden muss. Darüber hinaus aber müssen auch und vor allem die Eingriffe in
Natur und Landschaft auf ein Minimum begrenzt werden und in absehbarer Zeit beendet sein.
Ein Sanierungskonzept, dass die massivsten Abbrucharbeiten auf dem Kamm der Wülpker Egge in den letzen 50 Jahren vorsieht, ist
offensichtlich schnell erstellt, aber wie dieser nachhaltig landschaftsverändernde Eingriff auch nu7r annähernd umweltverträglich in einen Rekultivierungsplan eingebunden werden soll, wird dabei
von den zuständigen Behörden offensichtlich als weniger wichtig eingestuft. Und so ist wohl auch in den nächsten 6 Jahren kaum damit zu rechnen, dass Wanderer die gemütliche Gaststätte
“Wandersuh” über die Höhen der Wülpker Egge und des Kleinebremer Heinebergs hinweg werden erreichen können. Dietrich Müller-Prasuhn im Sommer 2005, E-Mail:muepra